Frankfurter Allgemeine Zeitung: 27.3.2020
Das kreative Vorgehen der Laura Fünfstück
Golfspielerin unter Druck
Auch Golfanlagen sind geschlossen. Profispielerin Laura Fünfstück bleibt aber trotz Corona-Krise in Schwung. Dafür nutzt die 25-Jährige fast alle Möglichkeiten, die ihr geblieben sind. Manchmal muss sie improvisieren.
Von JÖRG DANIELS
Eine Putting-Matte hat Laura Fünfstück schon zu Hause. Zu ihrem sportlichen Rüstzeug zählt die Profi-Golferin auch eine geliehene Abschlag-Matte. Und das Netz, das die 25 Jahre alte Langenerin bestellt hatte, ist mittlerweile auch im Elternhaus eingetroffen. Jetzt, da die Ladies European Tour (LET) aufgrund der Corona-Pandemie eine Zwangspause eingelegt hat und die Golfanlagen in Deutschland geschlossen haben, muss sie in ihrem Elternhaus improvisieren. Oder „kreativ werden“, wie es Laura Fünfstück formuliert: „Ich muss mir eine Möglichkeit erbauen, Bälle zu schlagen.“
Bei schlechtem Wetter im heimischen Wohnzimmer. Dort ist die Decke hoch genug, und es muss nur ein Tisch zur Seite geschoben werden. Aus wenigen Metern Abstand zum Netz schlägt die Hessin, deren Heimatverein der Golfclub Neuhof ist, dann in außergewöhnlicher Umgebung zu. Getreu ihrem aktuellen Motto in Zeiten des allgemeinen Stillstands: „Ich muss in Schwung bleiben.“ Am Freitag übte sie bei strahlendem Sonnenschein mit ihrem Equipment schwungvoll draußen im Garten der Nachbarn.
Obwohl die Golfsaison gerade erst begonnen hatte, hat Laura Fünfstück auf ihren Reisen durch die internationale Golf-Welt schon viel erlebt. In ihren eineinhalb Monaten in Australien fuhr sie „schon mal an einigen verbrannten Bäumen links und rechts der Straße“ vorbei. Damals waren die gewaltigen Buschfeuer weitestgehend eingedämmt, und die Deutsche hielt sich vor allem in der Region rund um Brisbane auf. Dort waren vielmehr die Fluten ein Problem, der starke Regen führte dazu, dass nicht immer gespielt werden konnte. Jedes Mal war jedoch absehbar, wann es weiterging. Und das sei der große Unterschied zur jetzigen Situation. „Vielleicht im Juni, wohl eher im Juli“ könne der Spielbetrieb auf der LET wiederaufgenommen werden, vermutet Laura Fünfstück. „Es wird ein neuer Saisonstart.“ Jetzt sei es, „als wäre der Stecker gezogen“.
Nachdem der Wettbewerb in Saudi-Arabien abgesagt wurde, war Südafrika die vorerst letzte Turnierstation für die langjährige Nationalspielerin. Mit dem geteilten 18. Rang kam sie ihrer guten, alten Form wieder recht nahe. Die zurückliegende Saison, ihr „erstes volles Jahr auf der LET“, hatte Laura Fünfstück in der Gesamtwertung auf Platz neun abgeschlossen. Insgesamt sechs Plazierungen unter den Top Zehn trugen zu ihrem Gesamtpreisgeld in Höhe von knapp 120.000 Euro bei. Nur ein Sieg – in Spanien war sie nahe dran – habe ihr gefehlt, sagt Laura Fünfstück im Rückblick. „Es war viel Gutes dabei, bei mir hat sich alles ein bisschen verbessert.“
Dementsprechend ist jetzt ein Erfolg auf der LET in diesem Jahr das „große Ziel“ der Langenerin. Auch rein rechnerisch erhöhen sich ihre Erfolgsaussichten, denn die LET ist aufgewertet worden: mit mehr ausgetragenen Turnieren; Wettbewerbe in Belgien, der Schweiz und Holland sind neu in den Terminkalender aufgenommen worden. Außerdem haben sich die Verdienstmöglichkeiten deutlich erhöht. Es gibt jetzt kein Turnier mehr mit einem Preisgeld unter 200.000 Euro. Auf der einen oder anderen Veranstaltung sind sogar insgesamt über eine Million Euro ausgelobt worden. „Sobald das Niveau steigt, steigen auch die Kosten. Je besser man performt, desto besser muss man auch verdienen“, sagt Laura Fünfstück.
Die unfreiwillige Turnierpause hat dazu geführt, dass ihre Arbeit aktuell „mehr office- und fitnessorientiert“ ist. Den Tag, im Wettstreit neu Schwung holen zu können, sehnt Laura Fünfstück herbei. „Es ist mein Job, der Sonne hinterherzufliegen.“
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Samy Bahgat